Manet

Eine symbolische Revolution

Pierre Bourdieu

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Pierre Bourdieu, Manet (2015), Suhrkamp Verlag, Berlin, ISBN: 9783518741863

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Descripción / Abstract

Wie vollzieht sich eine symbolische Revolution? Wann hat sie Erfolg? Am Beispiel des Begründers der modernen Malerei, Édouard Manet, geht der große französische Soziologe diesen Fragen in seinen bahnbrechenden Vorlesungen am Collège de France aus den Jahren 1998 bis 2000 nach. Begleitet werden die Vorlesungen von einem Manuskript über Manet, an dem Bourdieu mit seiner Frau Marie-Claire gearbeitet hat. Eine Entdeckung!
Bourdieu situiert Manets Malerei in der Krise der Kunst Mitte des 19. Jahrhunderts – in einem Moment, in dem zum einen die Zahl der Künstler zunimmt und zum anderen die staatliche Autorität in der Beurteilung des Wertes von Kunst fundamental in Frage gestellt wird. In dieser Situation bricht Manet mit den Regeln der akademischen Malerei und revolutioniert die gesamte ästhetische Ordnung. Seine Gemälde sind als Kampfansagen zu verstehen: an die Bewahrer des Akademismus, an den Populismus der Realisten, an den kommerziellen Ekklektizismus der Genremaler und sogar an den im Entstehen begriffenen Impressionismus. Solche symbolischen Revolutionen, so arbeitet Bourdieu heraus, sind nur vor dem Hintergrund der Konstellationen des gesamten kulturellen Feldes zu erklären. Mit seinen Studien zu Manet hat Bourdieu nicht weniger als ein Grundlagenwerk der Kunstsoziologie geschaffen.

Descripción

<p>Pierre Bourdieu, am 1. August 1930 in Denguin (Pyr&eacute;n&eacute;es Atlantiques) geboren, besuchte dort das <i>Lyc&eacute;e de Pau</i> und wechselte 1948 an das ber&uuml;hmte <i>Lyc&eacute;e </i><i>Louis-le-Grand</i> nach Paris. Nachdem er die Eliteschule der <i>&Eacute;cole Normale Sup&eacute;rieure</i> durchlaufen hatte, folgte eine au&szlig;ergew&ouml;hnliche akademische Karriere. Von 1958 bis 1960 war er Assistent an der <i>Facult&eacute; des lettres</i> in Algier, wechselte dann nach Paris und Lille und wurde 1964 Professor an der <i>&Eacute;cole Pratique des Hautes &Eacute;tudes en Sciences Sociales.</i> Im selben Jahr begann er, die Reihe <i>Le sens commun</i> beim Verlag <i>&Eacute;ditions de Minuit</i> herauszugeben und erhielt einen Lehrauftrag an der <i>&Egrave;cole Normale Sup&eacute;rieure</i>. Es folgten Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte in Princeton und am Max-Planck-Institut f&uuml;r Bildungsforschung. Seit 1975 gibt er die Forschungsreihe <i>Actes de la recherche en sciences sociales</i> heraus. 1982 folgte schlie&szlig;lich die Berufung an das <i>Coll&egrave;ge de France</i>. 1993 erhielt er die h&ouml;chste akademische Auszeichnung, die in Frankreich vergeben wird, die <i>M&eacute;daille d&amp;#39;or </i>des<i> Centre National de Recherche Scientifique</i>. 1997 wurde ihm der Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen verliehen.<br />
In seinen ersten ethnologischen Arbeiten untersuchte Bourdieu die Gesellschaft der Kabylen in Algerien. Die in der empirischen ethnologischen Forschung gemachten Erfahrungen bildeten die Grundlage f&uuml;r seine 1972 vorgelegte <i>Esquisse d&amp;#39;une th&eacute;orie de la pratique</i> (dt. <i>Entwurf einer Theorie der Praxis,</i> 1979). In seinem wohl bekanntesten Buch <i>La distinction</i> (1979, dt. <i>Die feinen Unterschiede,</i> 1982) analysiert Bourdieu wie Gewohnheiten, Freizeitbesch&auml;ftigungen, und Sch&ouml;nheitsideale dazu benutzt werden, das Klassenbewu&szlig;tsein auszudr&uuml;cken und zu reproduzieren. An zahlreichen Beispielen zeigt Bourdieu, wie sich Gruppen auf subtile Weise durch die <i>feinen Unterschiede</i> in Konsum und Gestus von der jeweils niedrigeren Klasse abgrenzen. Mit <i>Le sens pratique</i> (dt. <i>Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen</i> <i>Vernunft,</i> 1987) folgte 1980 eine ausf&uuml;hrliche Reflexion &uuml;ber die konkreten Bedingungen der Wissenschaft, in der Bourdieu das Verh&auml;ltnis von Theorie und Praxis neu zu denken versucht. Ziel dieser Analysen ist es, die &raquo;Objektivierung zu objektivieren&laquo; und einen Fortschritt der Erkenntnis in der Sozialwissenschaft dadurch zu erm&ouml;glichen, da&szlig; sie ihre praktischen Bedingungen kritisch hinterfragt.<br />
Seit dem Beginn der 90er Jahre engagiert sich Bourdieu f&uuml;r eine demokratische Kontrolle &ouml;konomischer Prozesse. 1993 rief er zur Gr&uuml;ndung einer &raquo;Internationalen der Intellektuellen&laquo; auf, deren Ziel darin besteht, das Prestige und die Kompetenz im Kampf gegen Globalisierung und die Macht der Finanzm&auml;rkte in die Waagschale zu werfen. Die im selben Jahr gegr&uuml;ndete Zeitschrift <i>Liber</i> soll dazu ein unabh&auml;ngiges Forum bieten. Seine politischen Aktivit&auml;ten zielen darauf ab, eine Versammlung der &quot;Sozialst&auml;nde in Europa&quot; einzuberufen, die den europ&auml;ischen Einigungsproze&szlig; kontrollieren und begleiten soll.<br />
Pierre Bourdieu stirbt am 23. Januar 2002 in Paris.</p>


Bernd Schwibs, geboren 1945, ist nach Stationen an der Fondation Maison des Sciences de l&rsquo;Homme, beim Suhrkamp Verlag, bei den Zeitschriften <em>Psyche </em>und <em>Westend </em>jetzt freier &Uuml;bersetzer.

Índice

  • [Cover]
  • [Informationen zum Buch/Autor]
  • [Titel]
  • [Impressum]
  • Inhalt
  • Notiz der Herausgeber
  • Vorlesungen am Collège de France im Studienjahr 1998-1999 Der Manet-Effekt
  • Vorlesung vom 6. Januar 1999
  • Thema der Vorlesung: die von Manet ausgelöste symbolische Revolution
  • Eine vollendete symbolische Ordnung
  • »Peinture pompier«
  • Die Konstruktion der modernen Kunst: ein umkämpftes Thema
  • Parenthese: soziale Probleme und soziologische Probleme
  • Staatskunst und Akademismus der Avantgarde
  • Die Talmi-Revolution
  • Parenthese über wissenschaftlichen Populismus
  • Ein unmögliches Forschungsprogramm: Der Raum der Kritik
  • Vom Banalen zum Skandal
  • Ein Bild voller Unstimmigkeiten
  • Die Kollision zwischen Edlem und Trivialem
  • Die Affinität zwischen den Hierarchien
  • Der falsche Gegensatz Realismus/Formalismus
  • Vorlesung vom 13. Januar 1999
  • Frage nach der Revolution in der Kunst
  • Das Spiel des projektiven Bildungstests (»Das erinnert mich an ...«)
  • Das Feld der Kritik konstruieren
  • Die Wirkungen des Kunstwerks
  • Die »Kommunikation von Unbewußtem«
  • Die intentionalistische Theorie
  • Regelverstoß und ästhetische Barbarismen
  • Rhetorik des Euphemismus und Wirkung des Titels
  • Die Wirkungen der Komposition
  • Eine symbolische Bombe
  • Die Daseinsberechtigung eines Bildes
  • Die Infragestellung der Malerei innerhalb der Malerei
  • Intention und Disposition
  • Vorlesung vom 20. Januar 1999
  • Beantwortung einer Frage zur Dialektik
  • Die Regelverstöße auf ethischem Gebiet
  • Manet und Monet
  • Das akademische Auge
  • Die Dispositionstheorie
  • Die Philosophie der Intention
  • Intention und Disposition
  • Das Zusammentreffen von Habitus und Raum des Möglichen
  • Das Beispiel der Schriftsteller
  • Kritik des Begriffs »Quelle«
  • Die Hypothese der Kohärenz
  • Vorlesung vom 27. Januar 1999
  • Reflexiver Rückblick auf die vorangegangene Vorlesung
  • Präkonstruierte Objekte und technische Perfektion
  • Epistemologischer Bruch und sozialer Bruch
  • Theorie der Dispositionen und scholastischer Bias
  • Philosophie der Intention und Philosophie der Dispositionen
  • Kritik der genetischen Kritik
  • Kritik der ikonographischen Tradition
  • Die hermeneutische Haltung
  • Kopien, Parodien, Pastiches
  • Eine sehr seltsame Übung
  • Das Körperwissen
  • Vorlesung vom 3. Februar 1999
  • Entgegnung auf zwei Mißverständnisse
  • Vom richtigen Umgang mit Quellen
  • Eine Vorlesung hören
  • Internalisten und Externalisten
  • Jugendwerk und Schulübung
  • Die Intelligenz des Körpers
  • Die strukturellen Bedingungen schöpferischen Tuns
  • Eine totale soziale Tatsache
  • Eine Krise der Institution
  • Eine formalistische Theorie
  • Schluß mit dem »Perfekten« der Pompiers
  • Vorlesung vom 10. Februar 1999
  • Rückblick auf eine heftige Reaktion
  • Grenzen des formalistischen Ansatzes
  • Die illusio als Metaglauben
  • Die Falle der dichotomischen Logiken
  • Infragestellung des akademischen Systems und Historisierung des Kunstwerks
  • Sozialgeschichte der akademischen Kunst
  • Die Ateliers als Eliteschulen
  • Körperschaft und Feld
  • Das Verlagsfeld
  • Vorlesung vom 17. Februar 1999
  • Eine akademische Kunst
  • Pompier-Kunst, Aristokraten und Neureiche
  • Die akademische Ästhetik
  • Eine integrierte akademische Institution
  • Ateliers und Initiationsriten
  • Konsekration und Glaubensproduktion
  • Ein gradus ad parnassum
  • Académie und akademische Malerei
  • Technische und historische Virtuosität
  • Eine Ästhetik der Lesbarkeit
  • Eine »enthistorisierte« Geschichte
  • Eine Ästhetik der Vollendung
  • Vorlesung vom 24. Februar 1999
  • Manets Kritiker
  • Parenthese über die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem
  • Lebensstil und Werkstil
  • Die Abschaffung der Bedeutung
  • Häretiker und Orthodoxe
  • Die Nominierung
  • Der Kampf um das Monopol
  • Ausstellung und Konsekration
  • Die Transformation des Bildungswesens
  • Verteidigung der Körperschaft
  • Eine Glaubenskrise
  • Das morphologische Modell Durkheims und seine Grenzen
  • Vorlesung vom 4. März 1999
  • Externe Faktoren und Logik der Felder: die Überproduktion von Absolventen
  • Die Reproduktion der Unterschiede
  • Disziplinen und »Zufluchts«-Positionen
  • Die Schwächung des staatlichen Monopols
  • Der Beitrag des Publikums zur Revolution
  • Sklerose des Salon und verallgemeinerte Glaubenskrise
  • Ein Vergleich des künstlerischen Milieus in Paris und London
  • Manet und die Präraffaeliten
  • Manet in der Sicht Mallarmés
  • Vorlesungen am Collège de France im Studienjahr 1999-2000 Grundlagen einer dispositionalistischen Ästhetik
  • Vorlesung vom 12. Januar 2000
  • Zweifel und Reflexivität
  • Entstehung des künstlerischen Felds
  • Kommentar zu einem Text Mallarmés über Manet
  • Kritik der Kritik
  • Das Paradigma Zola-Manet-Mallarmé
  • Die Unstimmigkeiten von Eine Bar in den Folies-Bergère
  • Mallarmé über Manet
  • Strukturhomologie zwischen künstlerischem und religiösem Feld
  • Glaube und Rückkehr zu den Quellen
  • Vorlesung vom 19. Januar 2000
  • Zola und Mallarmé
  • Formalismus, Materialismus und Symbolismus
  • »Sich ins Wasser stürzen« als Philosophie des Handelns
  • Eine praktische Ästhetik
  • Vorlesung vom 26. Januar 2000
  • Kritischer Rückblick auf die vergangene Vorlesung: Notwendigkeit einer doppelten Historisierung
  • Parenthese zur Kunstkritik
  • Zurück zu Mallarmés Text
  • Der Rahmen als Zuschnitt der Welt
  • Eine neue Ökonomie der Produktion
  • Das Zusammentreffen zweier Geschichten
  • Vorlesung vom 2. Februar 2000
  • Zusammenfassung der vorherigen Vorlesung
  • Erläuterung der künstlerischen Formen: das Basis/Überbau-Modell
  • Modelle historischer Prozesse
  • Weiterer Verlauf der Vorlesung: das Modell Habitus-Feld
  • Manet, eine Herausforderung für den Analytiker
  • Analysemethode
  • Jenseits der Alternative kontinuierlich/diskontinuierlich
  • Vorlesung vom 9. Februar 2000
  • Bruch und Kontinuität
  • Der Salon des refusés von 1863
  • Für einen rationalen Eklektizismus
  • Brüche in der Kontinuität (1): die Vorwegnahmen
  • Bruch in der Kontinuität (2): die Parodie
  • Das Paradox der symbolischen Revolutionäre
  • Erklärung des Charismas
  • Die technischen Faktoren
  • Die morphologischen Veränderungen
  • Faktoren auf seiten der Nachfrage
  • Ein multifaktorielles Modell
  • Besonderheit der Ökonomie der symbolischen Güter
  • Vorlesung vom 16. Februar 2000
  • Das künstlerische Feld
  • Gesellschaftliche Veränderungen und Veränderungen der Form
  • Parenthese über Forschungen »im Schongang«
  • Der »Maler des modernen Lebens«
  • Der Irrtum des Kurzschließens
  • Der Blick bei Manet
  • Das Feld als intermediärer sozialer Raum
  • Die Künstlergesellschaften
  • Parenthese über Pseudo-Begriffe
  • Ästhetisch-politische Haltungen und Positionen im Feld
  • Das Feld der Kritik zwischen literarischem und künstlerischem Feld
  • Eine Revolution im Feld
  • Vorlesung vom 23. Februar 2000
  • Die Produktion von Glauben
  • Zweckmäßigkeit des Feld-Begriffs
  • Das Feld der Kritik: die zwei Dimensionen
  • Kritikerporträts
  • Die Funktionsweise des Felds der Kritik
  • Das Kompetenzprinzip
  • Auf dem Feld-Begriff basierende Analyse
  • Manet, Subjekt und Objekt des künstlerischen Felds
  • Vorlesung vom 1. März 2000
  • Mechanische Erklärung und strukturale Kausalität
  • Die körperliche Hexis
  • Manet: ein gespaltener Habitus
  • Manets Kapital
  • Die Orte der Akkumulation sozialen Kapitals
  • Vorlesung vom 8. März 2000
  • Das weitere Vorgehen
  • Die Kunst, eine »reine Praxis ohne Theorie«
  • Der Standpunkt des Autors und die Beziehung zum Publikum
  • Eine Wirkungsästhetik
  • Manet als konkretes Individuum
  • Form und Inhalt
  • Der Manet-Effekt
  • Stützpunkte und Kontrastfiguren
  • Analyse von Werken
  • Christophe Charle … Opus Infinitum Genese und Struktur eines unvollendeten Werks
  • Was ist eine symbolische Revolution in der Malerei?
  • Warum Frankreich?
  • Fragmente einer »dispositionalistischen« Ästhetik
  • Pierre und Marie-Claire Bourdieu … Manet, der Häresiarch Entstehung der Felder der Kunst und der Kritik … (Unvollendetes Manuskript)
  • Einleitung
  • Kapitel 1 Die Pompier-Kunst als akademisches Universale
  • Kapitel 2 Die Krise der akademischen Institution
  • Die Erklärung durch den morphologischen Faktor
  • Die Erfindung der neuen spezifischen Ökonomie
  • Der ökonomische und soziale Kontext
  • Die symbolische Revolution (Mallarmé)
  • Kapitel 3 Bruch und Kontinuität
  • Mit dem Mythos vom radikalen Bruch brechen
  • Die offizielle Kunst ist von Dekadenz gezeichnet
  • Die Differenzierung der Produzenten
  • Die offizielle Kunst ist nicht die akademische Kunst
  • Bruch innerhalb der Kontinuität und durch sie
  • Kapitel 4 Feld der Kritik und künstlerisches Feld
  • Manet und die Kritik
  • Welches sind die großen Einteilungsprinzipien?
  • Die Struktur des Felds der Kritik
  • Kompetenz: Stellt sie einen unabhängigen Faktor dar?
  • Die Kritik distanziert sich vom Publikum
  • Die Konstitution eines Felds der Kritik
  • Der Beitrag des literarischen Felds zur Erfindung des Künstlers
  • Der Austausch zwischen Feldern
  • Kapitel 5 »Häresiarch &amp; Co.«
  • Manets Dispositionen
  • Manets Trümpfe
  • Die Konsekration durch das Stigma
  • Kapitel 6 Manets Ästhetik
  • Die künstlerische Revolution
  • Die Grundsätze einer dispositionalistischen Ästhetik
  • Das Malen steht in einer doppelten sozialen Beziehung
  • Manets große Provokationen und Verweigerungen
  • Die Grundlagen von Manets Ästhetik
  • Analyse von Bildern
  • Nachtrag
  • Pascale Casanova … Selbstporträt als freier Künstler oder »Ich weiß nicht, warum ich mich da hineingemischt habe«
  • Anhänge
  • Zusammenfassungen der Vorlesungen im Jahrbuch des Collège de France
  • 1998-1999
  • 1999-2000
  • Namenregister
  • Sachregister
  • Abbildungsnachweise
  • Bildteil

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