Über den Umgang mit Musik. Konservative Verhaltenslehren im Widerstand gegen den kulturellen Wandel 1900-1945

Jörg Fischer

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Jörg Fischer, Über den Umgang mit Musik. Konservative Verhaltenslehren im Widerstand gegen den kulturellen Wandel 1900-1945 (2021), Logos Verlag, Berlin, ISBN: 9783832584986

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Beschreibung / Abstract

Die Selbstverständlichkeit, mit der heutzutage "alte Musik" praktiziert wird, lässt kaum erahnen, dass die Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aus dem öffentlichen Musikleben nahezu verschwunden war. Die Wiederbelebung dieser Musik und vor allem ihres originalen Klangbildes (heute als "historisch informiert" bezeichnet) setzte nach dem Ersten Weltkrieg ein.

In Deutschland hatte die Alte-Musik-Bewegung wesentliche Impulse aus der bürgerlichen Jugendbewegung ("Wandervogel") vor 1914 erhalten, was nach dem traumatischen Kriegsausgang zur Entwicklung der "musikali -sch -en Er -neu -er -ungs -be -wegungen" und einer gezielten Ideologisierung des Ästhetischen führte: In der Jugendmusikbewegung, der Orgelbewegung und in der Kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung sollte Musik primär keinen ästhetischen "Genuss" bieten, sondern ethisch-pädagogische Werte vermitteln und als solche zur "Gemeinschaftsbildung" (Volksgemeinschaft, Gemeinde) beitragen. Diese entschieden kunstfeindliche Musikauffassung exekutierte ein ideologisches Programm, welches den Umgang mit Musik restriktiv reglementierte und damit die Funktion einer ästhetischen Verhaltenslehre erfüllte. Unter dem Aspekt der Verhaltenslehren standen die musikalischen Erneuerungsbewegungen wiederum in der Tradition eines ethischen Diskurses, dessen Politisierung schließlich die ungehinderte Entfaltung der Erneuerungsbestrebungen im ideologisch gelenkten Musikleben des Dritten Reiches begünstigte.

Beschreibung

Jörg Fischer (geb. 1956) studierte Musikwissenschaft, Neuere Geschichte und Volkskunde/Europäische Ethnologie in Freiburg i. Brsg. und Berlin, promovierte an der FU Berlin und machte am Institut für Musiktherapie in Berlin eine Ausbildung zum Sozialmusiktherapeuten; arbeitet als Mitarbeiter in Kirche und Diakonie und publizierte zu den Themen Orgelbewegung, Kirchenmusik im Dritten Reich sowie zur Jugendmusikbewegung.

Inhaltsverzeichnis

  • BEGINN
  • Vorwort
  • Einleitung
  • Musikalische Verhaltenslehren zwischen Früher Neuzeit und Moderne
  • Musik und Sozialdisziplinierung in den reformatorischen Kirchenordnungen
  • Die Modellierung des ästhetischen Über-Ichs
  • Das Alte, das Neue und die Differenz der Geschwindigkeiten
  • Die Orgel im Dilemma der Geschwindigkeiten
  • Kulturkonservatismus und Musikalische Jugendkultur im ausgehenden Kaiserreich
  • Die konservative Umdeutung der musikalischen Bildungsidee
  • Musikalische Jugendkultur vor dem Ersten Weltkrieg
  • Der Krieg und das kulturell Unbewußte
  • Zwischen Augustwunder und Novemberrevolution: Verhaltenslehren im Ausnahmezustand
  • Der Krieg als Initiationsritus und die erstarrte Adoleszenz
  • Avantgarde der Umkehr: Musikalische Erneuerungsbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg
  • Agenturen des kulturell Unbewußten: Jugendmusik und Singbewegung
  • Kühlaggregate gegen den kulturellen Wandel: Orgelbewegung und alte Musik
  • „Junge deutsche Musik“ und „musischer Mensch“: Die totalitäre Wende der Verhaltenslehren nach 1933
  • Quellen- und Literaturverzeichnis

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