Geschichte der reellen Funktionen einer Veränderlichen

Ein quellenorientierter Abriss der Entwicklung vom Beginn des 17. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

Rüdiger Thiele

Diese Publikation zitieren

Rüdiger Thiele, Geschichte der reellen Funktionen einer Veränderlichen (2022), WTM-Verlag, Münster, ISBN: 9783959872102

171
Accesses

Beschreibung / Abstract

Der Begriff der Abhängigkeit ist grundlegend in der Mathematik, und verschiedene Konzepte engen diese allgemeine Vorstellung ein, um für gegebene Probleme angepasste und effektive Fassungen zur Verfügung zu haben.
Die wiederholte Anwendung bei Rechnungen oder Konstruktionen von stets gleichen algebraischen Operationen führte dazu, solche algebraisch aufgebauten Terme als neue Objekte zu betrachten (Joh. Bernoulli, 1718) und schließlich als Funktionen zu bezeichnen; anders gesagt waren es die als Funktionen bezeichneten Ausdrücke, um die sich die entstehende Analysis rankte und eine neue Disziplin entstehen ließ, die Analysis. Ihre Blütezeit findet dieses algebraische Konzept in den Potenz- und Fourierreihen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts (Euler, Lagrange, Fourier).
Die strenge Begründung der Analysis zieht die Zahlenwerte von Funktionen in ihre Überlegungen ein, um Konvergenz- und Darstellungsfragen zu klären (Dirichlet, Riemann). Damit treten die allgemeinen algebraischen Eigenschaften der Funktionen zurück, um lokale Gesichtspunkte hervorzuheben (Cauchy, Weierstraß). Gegenüber den durch konstruktive Einstellungen bestimmten Funktionen erscheinen zunehmend solche, die durch analytische Eigenschaften wie Stetigkeit, Integrierbarkeit und Entwickelbarkeit bestimmt sind und Klassen von Funktionen bilden (Borel, Lebesgue). Diese Klassen besitzen algebraische Strukturen, die Rechnungen ermöglichen, und eine Topologie erlaubt, auch Grenzübergänge auszuführen, mit anderen Worten sie konstituieren Funktionenräume.
Die fünfzehn Kapitel sowie der Anhang des Buches behandeln die skizzierte Entwicklung chronologisch, wobei die Darstellung quellenorientiert ist. Es gibt in jedem Kapitel ausführliche Literaturverweise und zur Vertiefung des Stoffes werden Übungsaufgaben an-geboten.
Das Buch wendet sich vornehmlich an Studenten mit Analysisausbildung (einschließlich Lehramtskandidaten), und es gibt Gymnasiallehrern zahlreiche Anregungen zur Gestaltung ihres Unterrichts. Schließlich bildet die zentrale Thematik der Mathematik auch einen Beitrag zur neueren Wissenschaftsgeschichte aus mathematischer Sicht. Darüber hinaus findet man schnell die wichtigsten Funktionsdefinitionen der letzten 300 Jahre.

Inhaltsverzeichnis

  • BEGINN
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einige Vorbemerkungen
  • Literatur
  • Kapitel 1 Eine kurze historische Zusammenfassung
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 2 Der Weg zum Calculus: von Vià¨te und Descartes zu Newton und Leibniz
  • Vià¨te (Vieta)
  • Descartes
  • Newton
  • Leibniz
  • Rückblick: Napier tabelliert eine Funktion
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 3 Der frühe analytische Funktionsbegriff, seine beiden ersten Jahrzehnte 1697-1717. Die Brüder Jakob und Johann Bernoulli
  • Ein kurzer Abriss über die Verwendung von Potenzreihen
  • Von der variablen Größe zur Funktion
  • Der Bernoullische Bruderzwist und dessen Zankapfel: die isoperimetrischen Probleme
  • Ein mathematischer Wendepunkt kündigt sich an
  • Brook Taylors Einlassung (1715)
  • Die erste Definition einer analytischen Funktion und ihre Aufnahme
  • Der Entwicklungsgang des Funktionsbegriffes bei Leibniz und den Brüdern Bernoulli
  • Erste Rezeptionen des Funktionsbegriffs
  • Einige grundlegende Bemerkungen zum Funktionsbegriff
  • Exkurs über James Gregory
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 4 Die Eulersche Epoche (I). Das Paradies der Potenzreihen
  • Ein Rückblick
  • Die Ausbreitung des Calculus
  • Maria Gaetana Agnesi
  • Leonhard Euler, die personifizierte Analysis
  • a) Die ersten Schritte
  • b) Introductio in analysin infinitorum, Teil I (1748)
  • c) Introductio in analysin infinitorum, Teil II
  • d) Institutiones calculi differentialis (1755)
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 5 Die Eulersche Epoche (II). Ein Umschwung im funktionalen Denken: die schwingende Saite und willkürliche Funktionen
  • Einleitung
  • Der musikalische Hintergrund
  • Die Kontroverse über die schwingende Saite
  • a) Eine kurze Chronologie
  • b) Rein mathematischer Standpunkt
  • c) Mathematisch-physikalischer Standpunkt
  • d) Der theoretische Physiker Daniel Bernoulli
  • e) Analysis versus Physik
  • f) Auseinandersetzungen
  • g) Lagrange betritt die Szene
  • h) Affäre oder nur gelehrte Auseinandersetzung?
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 6 Lagrange: noch einmal Potenzreihen und der Wandel der Analysis
  • Anhang:Preis der Berliner Akademie für 1786
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 7 Ein Rückblick: Was ist eine Funktion? Von der expressio analytica zur fonction arbitraire.
  • Rückblick
  • Die Preisfrage der St. Petersburger Akademie von 1789
  • Was ist eine Funktion?
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 8 Fourier und die Folgen
  • Eine Bestandsaufnahme
  • Jean Baptiste Joseph Fourier
  • S.-F. Lacroix, M.A. Nicols Caritat, Marquis de Condorcet, und L. Carnot
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 9 Grundlegung der Analysis: Gauß, Bolzano, Abel, Cauchy
  • Einführung
  • Paradigmenwechsel
  • Carl Friedrich Gauß
  • Bernard Bolzano
  • Niels Henrik Abel
  • Augustin-Louis Cauchy
  • Einschub Beziehungen von Mathematikern des russischen Kaiserreichs im 19. Jahrhunderts mit Frankreich
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 10 Dirichlet und Lobatschewski
  • Gustav Lejeune Dirichlet
  • Das Umfeld
  • Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski
  • Ein Rückblick
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 11Bernhard Riemann, die geometrische Sicht
  • Einführung
  • Riemanns Arbeiten zur reellen Analysis
  • Ein mathematisches Monster?
  • Exkurs: Das Dirichletsche Prinzip
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 12 Karl Weierstraß, die analytische Sicht
  • Einführung
  • Das analytische Gebilde
  • Weierstraß' Beispiel einer nicht differenzierbaren Funktion
  • Der Approximationssatz von 1885
  • Das Dirichletsche Prinzip (funktionalanalytisch)
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 13 Ein flüchtiger Blick in einige Nachschlagewerke und Lehrbücher
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 14 Die Einheit in der Vielheit
  • Arithmetisierung
  • Ein allgemeiner Überblick um die Jahrhundertwende, neue Konzepte der funktionalen Abhängigkeit.
  • Der Einfluss der Mengenlehre und Logik
  • Theoria cum praxi: der Kleinsche Funktionsstreifen
  • Die Klassifikation der Funktionen
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Kapitel 15 Ein Ausblick
  • Verschiedene Verallgemeinerungen
  • Die Tragweite von Funktionenkonzepten
  • Epilog
  • Aufgaben
  • Literatur
  • Anhang Maß- und Integrationstheorie. Ein kurzer Überblick von Jordan bis Lebesgue (1892-1903)
  • Aufgaben
  • Literatur

Mehr von dieser Serie

    Ähnliche Titel

      Mehr von diesem Autor