Die Macht des Verfahrens

Englische Hochverratsprozesse 1554-1848

Andre Krischer

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Andre Krischer, Die Macht des Verfahrens (2017), Aschendorff Verlag, Münster, ISBN: 9783402146606

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Beschreibung / Abstract

Nirgendwo im frühneuzeitlichen Europa wurden so viele Hochverratsprozesse geführt wie in England. In dieser Studie geht es allerdings nicht um die Geschichte der repressiven Justiz. Vielmehr wird gezeigt, wie sich über einen Zeitraum von rund 300 Jahren überhaupt erst die Macht von Gerichtsverfahren herausbildete, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Die englischen Hochverratsprozesse stehen damit beispielhaft für die Ausdifferenzierung juridischer Prozeduren, auf denen moderne Staatlichkeit beruht. Die Macht der Verfahren bekamen nicht nur die Angeklagten zu spüren, sondern in einem zunehmenden Maße die obrigkeitlich-staatlichen Verfahrensveranstalter auch. Gängige modernisierungstheoretische Annahmen über die rechtsgeschichtliche Entwicklung werden hier gegen den Strich gebürstet, insofern gezeigt wird, dass Gerichtsverfahren im Übergang zur Moderne nicht nur gerechter, sondern auch mächtiger wurden und sich gegen Einflüsse aus ihrer sozialen Umwelt abschotteten. Die Arbeit ist zugleich ein neuartiger und innovativer Beitrag zur Kulturgeschichte des Rechts, die die Praxis der Gerichtsbarkeit in ihren kommunikativen, medialen und sozio-materiellen Dimensionen beobachtet. Sie ist ebenso ein Beitrag zum Verhältnis von Justiz, Druckpublizistik und Öffentlichkeit wie zur Geschichte der Todesstrafe. Nicht zuletzt wird gezeigt, wie vor Gericht über Szenarien kollektiver Bedrohung, über Verschwörungen und Verschwörungstheorien verhandelt und entschieden wurde.

Inhaltsverzeichnis

  • BEGINN
  • Title
  • Inhalt
  • Einleitung
  • 1. ABSICHTEN UND ERKENNTNISINTERESSE
  • 2. ZUM UNTERSUCHUNGSFELD HOCHVERRAT
  • 3. VORGEHENSWEISE
  • 4. FORSCHUNGSLAGE
  • 5. QUELLEN
  • I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns im 16. Jahrhundert
  • 1. ANKLAGEERHEBUNG DURCH DIE GRAND JURY
  • 2. „DEFINITIVE PROCEEDINGS IN CAUSES CRIMINALL“ – GERICHTE, DIE ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG UND IHRE AKTEURE
  • 3. ÖFFENTLICHKEIT
  • 4. ARRAIGNMENT UND PLEADING: GELEGENHEITEN FÜR DISSENTIERENDES ENGAGEMENT
  • 5. „THE PARTIE INDITED SHALL NOT HAUE COUNCELL LEARNED IN THE LAW“: ZUM ANWALTSVERBOT IM TRADITIONELLEN VERFAHREN UND SEINEN BEGRÜNDUNGSWEISEN
  • 6. ENTSCHEIDBARE SPRACHE: DAS INDICTMENT
  • 7. DIE JURY
  • 8. DIE UNBESTIMMTHEIT DER HAUPTVERHANDLUNG
  • 9. JENSEITS DER DIALOGE: DAS VERFAHREN ALS EIN ENSEMBLE AUS PRAKTIKEN, RÄUMEN, MATERIALITÄTEN UND SEQUENZEN
  • 10. ENTSCHEIDEN UND URTEILEN
  • 11. „DEAD MEN TALKING“: DAS SCHAFOTT ALS DISKURSIVER ORT
  • 12. RESÜMEE
  • II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts
  • 1. MASSLOSE GEWALT UND VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN: ENGLAND UND DIE KATHOLISCHEN MISSIONARE UNTER ELISABETH I.
  • 2. DER PROZESS GEGEN EDMUND CAMPION ALS ÖFFENTLICHES EXEMPEL
  • 3. HINRICHTUNGEN ALS FORTSETZUNG DES VERFAHRENS
  • 4. KURZE PROZESSE
  • 5. RESÜMEE
  • III. „The Execution of Justice in England“: Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts
  • 1. SCHRECKENSBILDER: KATHOLISCHE REPRÄSENTATIONEN DER ENGLISCHEN STRAFJUSTIZ
  • 2. COMMON LAW IM AUSNAHMEZUSTAND: ZUR RECHTFERTIGUNG DER FOLTER IN THEORIE UND PRAXIS
  • 3. FÄLLE FÜR DIE GESCHICHTSBÜCHER
  • 4. IN DER HAND DER VORSEHUNG: ZUM WANDEL DER HINRICHTUNGSPUBLIZISTIK
  • 5. RESÜMEE
  • IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik: Der Fall des Levellers John Lilburne 1649
  • 1. DIE OFFENHEIT FORENSISCHER KOMMUNIKATION IN DER MITTE DES 17. JAHRHUNDERTS
  • 2. LILBURNE ALS KRITIKER DER REPUBLIK
  • 3. DER PROZESS BEGINNT MIT EINEM DILATORISCHEN PARADESTÜCK
  • 4. DIE DOPPELBÖDIGKEIT VON LILBURNES SPRECHHANDLUNGEN
  • 5. GEGEN DIE FÖRMLICHKEIT DES VERFAHRENS
  • 6. VERFAHREN NACH DER GOLDENEN REGEL
  • 7. DAS ÜBERFORDERTE VERFAHREN
  • 8. „THE STATE HATH THOUGHT OF ANOTHER WAY OF TRIAL“ – KONSEQUENZEN DES LILBURNE-PROZESSES FÜR DIE WEITEREN STATE TRIALS WÄHREND DES INTERREGNUMS
  • 9. RESÜMEE
  • V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution
  • 1. LONDON, 1660: ANNÄHERUNGEN AN NEUE FORMEN DES FORENSISCHEN
  • 2. UNSICHERES WISSEN IN DER NEUEN NATURPHILOSOPHIE
  • 3. ZEUGENBEFRAGUNGEN ALS TATSACHENERZEUGUNG UND ORDNUNGSMUSTER
  • 4. RESÜMEE
  • VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts
  • 1. TITUS OATES UND SEIN POPISH PLOT
  • 2. DER PROZESS GEGEN EDWARD COLEMAN
  • 3. SCHAUPROZESSE UND FORMALISIERUNG
  • 4. HINRICHTUNGEN ALS NACHTRÄGLICHE LEGITIMATIONSVERSUCHE
  • 5. DISKURSE ÜBER DIE KRISE DES VERFAHRENS IM UMFELD DES RYE HOUSE PLOT
  • 6. DAS SCHAFOTT ALS FORUM FÜR JUSTIZKRITIK
  • 7. ZUR PUBLIZISTISCHEN MARKIERUNG DES BRUCHS MIT DER TRADITIONELLEN STRAFRECHTSPRAXIS
  • 8. RESÜMEE
  • VII. Reformprozesse
  • 1. PARLAMENTARISCHE VERHANDLUNGEN
  • 2. ANWÄLTE BEI DEN PROZESSEN GEGEN DIE VERSCHWÖRER VON 1696
  • 3. DER PROZESS GEGEN CHRISTOPHER LAYER
  • 4. ZUR WEITEREN AUSDIFFERENZIERUNG DER STRAFVERFAHREN BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
  • 5. RESÜMEE
  • VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens
  • 1. LONDON, 1781
  • 2. „CONSTRUCTIVE TREASON“ UND „SEDITIOUS CONSPIRACIES“: UMRISSE DER POLITISCHEN VERBRECHEN UM 1800
  • 3. DIE NORMALISIERUNG DER FÖRMLICHKEIT
  • 4. RESÜMEE
  • IX. Anwälte und ihre Angeklagten
  • 1. „COUNCELLOR EGO“: ANWALTSZENTRIERUNG IM VERFAHREN UM 1800
  • 2. VERTEIDIGUNG ALS „KUNST“
  • 3. DEZENTRALISIERUNG DES ANGEKLAGTEN
  • 4. UNZURECHNUNGSFÄHIGKEITEN
  • 5. ABWESENDE ALS ANWESEND BEHANDELN
  • 6. DIE ANWALTSKRITIK DER RADIKALEN UND DAS VERFAHREN ALS UMKÄMPFTES MACHTFELD
  • 7. ENGAGEMENT OHNE SUBVERSION: DER PROZESS GEGEN HENRY ‚ORATOR†˜ HUNT 1820
  • 8. RESÜMEE
  • X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen
  • 1. DAS LERNEN DER ANKLÄGER
  • 2. LEGITIMATION DER VERFAHREN – LEGITIMATION DURCH SYSTEMVERTRAUEN?
  • 3. VERURTEILEN UND STRAFEN IM ZEITALTER DES LOYALISMUS
  • 4. REVISIONSVERFAHREN ALS OPERATIVE SCHLIESSUNG
  • 5. RESÜMEE
  • Ergebnisse
  • Kulturgeschichte der Rechtspraxis
  • Rekonstruktion langfristiger Entwicklungen und Wandlungen
  • Ausdifferenzierung und operative Schließung von Gerichtsverfahren
  • Hochverratsprozesse und die Macht der Verfahren
  • Anhang
  • Quellen und Literatur
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Quantitative Auswertung der Hochverratsprozesse 1554–1848
  • Danksagung
  • Personenregister

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