Für eine zeitgemäße Suchtpolitik

Jürgen Mühl, Ulrich Flasche, Heiner Moenkehues, Heidi Neumann und Jeanette Piram

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Jürgen Mühl, Ulrich Flasche, Heiner Moenkehues, Heidi Neumann, Jeanette Piram, Für eine zeitgemäße Suchtpolitik (27.04.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0342-2275, 2014 #1, S.50

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Accesses

Beschreibung / Abstract

Psychoaktive Substanzen und deren Konsum begleiten die Menschheit seit mehr als 8.000 Jahren. In dieser Zeitspanne hat es immer auch Menschen mit Rauschmittel-problemen gegeben. Es hat ebenfalls immer wieder Versuche gegeben, Einfluss auf den Rauschmittelkonsum zu nehmen. Neben den staatlichen Interventionen sind hier vor allem religiöse und kulturelle Regelungen zu nennen.

Die Bewertung des Rauschmittelkonsums und der Rauschmittelabhängigkeit steht somit in direktem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Vereinbarungen und Einstellungen gegenüber dem Rauschmittelkonsum. Rauschmittel haben somit ihren Platz im gesellschaftlichen und kulturellen Ablauf.

So hatten die politischen Interventionen in der Regel das Ziel, den Konsum und da-mit einhergehende rauschmittelinduzierte Probleme zu reduzieren (d.h. zu verorten und zu begrenzen). Die Entwicklung und Umsetzung solcher Maßnahmen sind heute weitgehend Aufgaben der Politik. Die Suchtpolitik basiert grundsätzlich auf vier Säu-len: Prävention, Behandlung, Schadensminimierung und Repression. In Deutschland wird sie in aller Regel in Folge der Bundestagswahlen neu formuliert und folgt damit parteipolitischen Vorstellungen. Es stellt sich somit die Frage, wodurch suchtpoliti-sche Entscheidungen beeinflusst werden. Gleichzeitig bleibt fraglich, ob Erfahrungen, Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen der Mitglieder einer Gesellschaft bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Diese Frage ist insoweit wichtig, weil sucht-politische Entscheidungen direkt Einfluss nehmen auf das Leben des Einzelnen in einer Gesellschaft. Suchtpolitik sollte daher in Abständen auf ihre Aktualität und Re-levanz für die Gesellschaft überprüft werden. Anpassungen an Erkenntnisse von Forschung und Praxis sind in den letzten Jahren nicht zu beobachten gewesen.

Dabei zeigen Erhebungen, dass der illegale Drogenmarkt sich schnell an neue Mög-lichkeiten und Kontrollmaßnahmen anpasst (EBD/Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, 2011). Der Jahresbericht schätzt zudem die Zahl der Menschen in Europa, die in den letzten 12 Monaten vor der Erhebung illegale Rauschmittel konsumiert haben auf 31,5 Millionen. Die Zahl der Menschen mit Dro-generfahrung in ihrem Leben wird auf 117,3 Millionen Menschen geschätzt. In Deutschland wird zudem die Zahl der Alkoholmissbraucher und -abhängigen auf bis zu 3,5 Millionen Menschen geschätzt. Der jährliche Volkswirtschaftliche Schaden wird mit 26,7 Mrd. Euro beziffert (DHS, 2013).

Es ist außerdem zu beobachten, dass sich Konsummuster innerhalb der Bevölkerung immer wieder verschieben.

Weiterhin fällt auf, dass nach wie vor unterschieden wird zwischen Drogen auf der einen, und Alkohol, Nikotin und Medikamenten auf der anderen Seite. Dies ist umso bedeutsamer, da der Missbrauch von Alkohol, Nikotin und Medikamentne gleichfalls ein beträchtliches gesundheitliches Risiko für Konsumenten darstellt.

Sicherlich sehen wir auch, dass in der Vergangenheit auf nationaler und auf europäi-scher Ebene positive Veränderungen stattgefunden haben. Substitutionsprogramme, weitere harm-reduction-Konzepte, Werbeverbote für Alkohol und Nikotinverbote sol-len hier nur beispielhaft genannt werden.

Betrachten wir die Suchtpolitik einmal unter einem Kosten-Nutzen-Faktor, überwie-gen aus unserer Sicht die wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Nachteile.

Die ambulante Suchtkrankenhilfe der Arbeiterwohlfahrt vertritt daher die Ansicht, dass eine gesellschaftliche Diskussion über eine veränderte Strategie der bundes-deutschen Suchtpolitik dringend notwendig ist.

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