Staatliche Leistungen zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterkunft

Jens Löcher

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Jens Löcher, Staatliche Leistungen zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterkunft (28.04.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0342-2275, 2010 #5, S.330

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Accesses

Beschreibung / Abstract

Zu einem menschenwürdigen Leben gehört - neben Nahrung, Kleidung, Hausrat, Hygiene und Gesundheit, der Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben - insbesondere eine angemessene Unterkunft. Ist der Einzelne nicht in der Lage, die Aufwendungen für eine angemessene Unterkunft aus eigener Kraft und eigenen Mitteln aufzubringen, so hat er einen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat im Februar 2010 hervorgehoben, dass dieser Anspruch unmittelbar aus dem Menschenwürdegrundsatz resultiert: Art. 1 Abs. 1 GG beinhaltet ein eigenständiges Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. -- Dieser Rechtsanspruch "ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu." Was bedeutet dies für den einzelnen Hilfebedürftigen? Fest steht, dass der Gesetzgeber die Konkretisierung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Bezug auf eine angemessene Unterkunft im Sozialhilferecht durch § 29 SGB XII und § 35 SGB XII vorgenommen hat, im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") durch § 22 SGB II. Die zentrale Aussage beider Gesetze ist identisch, auch wenn die Wortlaute von einander abweichen: Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. -- Der Gesetzgeber hat sich vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten lassen, denn er hat die Gewährleistung der Menschenwürde an die tatsächlich entstehenden Kosten geknüpft, anstatt eine Pauschale für alle Hilfebedürftigen zu bestimmen. -- Indem die Berücksichtigung bzw. Gewährleistung der tatsächlichen Unterkunftskosten aber durch die Angemessenheit der Kosten begrenzt wurde, wurde ein unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, der auslegungsbedürftig ist. Das Bundessozialgericht hat diesen unbestimmten Rechtsbegriff während der letzten fünf Jahre "mit Leben gefüllt" und hierbei den Sozialleistungsträgern - d.h. konkret den Grundsicherungs- und Sozialhilfeträgern - erhebliche Anforderungen auferlegt, damit das Recht auf ein menschenwürdiges Leben nicht nur "auf dem Papier" steht, sondern in der Praxis gewährleistet wird. -- Dieser Beitrag will aufzeigen, wie der Rechtsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens in Bezug auf eine angemessene Unterkunft durch die höchstinstanzliche Rechtsprechung gegenwärtig ausgefüllt wird. Hierbei soll beispielhaft auf das SGB II ("Hartz IV") eingegangen werden, das erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen zur Verfügung stellt, wenn sie hilfebedürftig sind. Die Ausführungen sind im Großen und Ganzen auf das Sozialhilferecht übertragbar. Nicht berücksichtigt wird die Frage, welche Aufwendungen bei einem stationären Aufenthalt als angemessen anzusehen sind. --

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