Konturen einer Allgemeinen Theorie der Kriminalität als kulturelle Praxis (ATKAP). Poststrukturalistische Perspektiven

Bernd Dollinger, Matthias Rudolph, Henning Schmidt-Semisch und Monika Urban

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Bernd Dollinger, Matthias Rudolph, Henning Schmidt-Semisch, Monika Urban, Konturen einer Allgemeinen Theorie der Kriminalität als kulturelle Praxis (ATKAP). Poststrukturalistische Perspektiven (29.03.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0341-1966, 2014 #2, S.67

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Beschreibung / Abstract

Der Beitrag skizziert eine Allgemeine Theorie der Kriminalität als kulturelle Praxis (ATKAP). Ein erster Bezugspunkt liegt in einem semiotischen Verständnis von Kriminalität: Sie wird als kulturelle Bedeutung konzipiert. Unterscheidungen zwischen Kriminalität und Kriminalisierung werden damit hinfällig, da Kriminalität nur als Sinnzuweisung existiert. Als zweiter und für eine sozialwissenschaftliche Kriminologie entscheidender Referenzpunkt wird die Relation von Struktur und Kontingenz beschrieben: Es gilt theoretisch zu begründen, wie die Kontingenz von Kriminalität mit ihren gleichsam ,harten´ Konsequenzen verbunden werden kann. Kriminalität ist nicht notwendig, aber sie konfrontiert mit Sinnzuweisungen und Maßnahmen, die nicht einfach verändert werden können und die sehr handfeste Folgen nach sich ziehen. Um diesen theoretischen Anspruch einzulösen, geht die ATKAP konsequent differenztheoretisch vor, indem Kriminalität als Prozessierung der Unterscheidung von "Kriminalität" und "Nicht-Kriminalität" verstanden wird. Die Vermittlung dieser Differenz wird unter Bezug auf die Diskurstheorie von Laclau bzw. Laclau und Mouffe als hegemoniale, politische Bedeutungszuschreibung interpretiert. Kriminalität fungiert als "leerer Signifikant", der durch unterschiedliche Bedeutungen gefüllt wird. In ihn werden konfligierende Interessen eingespeist, so dass seine Bedeutung zwar nicht nichts ist, aber auch nicht fixiert werden kann. Sie ist zugleich unter- und überdeterminiert. Kriminalität repräsentiert folglich Kämpfe um Bedeutungen, die nicht stillgestellt werden können.

Schlüsselwörter: Kriminalitätstheorie, Hegemonie, Differenz, Kultur



The article provides an outline of a General Theory of Crime as Cultural Practice. The first reference point lies in a semiotic understanding of criminality which conceptualizes it as cultural signification. This makes any differentiation between crime and criminalization unnecessary, because crime exists only as an ascription of meaning. The second reference point which is decisive for a criminology rooted in the social sciences can be found in the relation between structure and contingency: it is crucial to explain in theoretical terms how the contingency of crime is connected to its somewhat "harsh" consequences. Crime is not necessary, but it evokes meanings and measures which cannot simply be altered and have very real consequences. Accordingly, in order to fulfill this theoretical requirement, the General Theory of Crime as Cultural Practice proceeds along the lines of differential theory and conceptualizes criminality as the process of differentiating between "crime" and "not crime." With reference to the discourse theory of Laclau, as well as Laclau and Mouffe, the communication of this difference is interpreted as the hegemonic, political process of giving meaning. Crime functions as an "empty signifier," which can be filled with variegated meanings. Conflicting interests feed into the term such that its meaning isn´t "nothing," but nevertheless cannot be fixed. Crime is simultaneously under- and over-determined. It follows that crime represents struggles for meaning, which cannot be resolved.

Keywords: criminological theory, hegemony, difference, culture

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