"Individuelle Förderung" - neue pädagogische Tätigkeit oder politisches Feigenblatt?

Irmtraud Schnell

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Irmtraud Schnell, "Individuelle Förderung" - neue pädagogische Tätigkeit oder politisches Feigenblatt? (30.03.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0943-8394, 2012 #3, S.157

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Seit der Veröffentlichung der Leistungsergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler im Jahr 2000 ist die Forderung nach "Individueller Förderung" lauter geworden, seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts auch im Hinblick auf aus verschiedenen Gründen schulleistungsschwache Kinder und Jugendliche (vgl. z.B. Konsortium Bildungsberichterstattung 2008). Nur wenige Länder zogen bislang ernsthafte Konsequenzen aus den Forderungen nach Individueller Förderung, die auch mit Investitionen verbunden wären. Es gibt eine ausufernde Rhetorik zum Begriff "Individuelle Förderung", die einerseits nahe legt, damit sei ein neues Konzept zur Steigerung der Leistungen aller Schülerinnen und Schüler gefunden (vgl. Arnold u.a. 2010, 11), ein Allheilmittel, das nicht selten als "bildungspolitische Effekthascherei, Marktpolitik von Unternehmen und Diffamierung der unterrichtenden Lehrer" (a.a.O.) zu entlarven ist. Sollen bei wachsender Heterogenität von Lerngruppen und bei mit demokratischen Grundlagen nicht zu vereinbarender Chancenungleichheit hinsichtlich des Bildungserfolges allein die Lehrkräfte in die Pflicht genommen werden für die Steigerung der Bildungsergebnisse? Entzieht sich die Gesellschaft und darin die Politik mit Hilfe des Begriffs "Individuelle Förderung" ihrer Verantwortung und lastet sie Eltern und Lehrkräften auf - zu Lasten von Jungen und Mädchen, deren unterschiedliche Ausgangslagen im gemeinsamen Lernen berücksichtigt werden müssen, um je mögliche Lernentwicklungen nicht zu verbauen? Im Zusammenhang inklusiver Erziehung und Bildung könnte der Begriff Individuelle Förderung zum bloßen Schlagwort geraten, die Forderung, beide Seiten, individuelle Entwicklungen und Gemeinsamkeit aufmerksam zu unterstützen, ist richtig, aber wohl nicht kostenfrei umzusetzen. Einige Bundesländer haben daraus Konsequenzen für Fort- und Ausbildung gezogen.

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