Wie viel AWO braucht das Land? - Vom Wert der Wertefür die Arbeiterwohlfahrt

Eröffnungsvortrag zur Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt<br><br>vom 23. - 25.11.2012 in Bonn

Heribert Prantl

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Heribert Prantl, Wie viel AWO braucht das Land? - Vom Wert der Werte

für die Arbeiterwohlfahrt (19.04.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0342-2275, 2013 #1, S.62

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Vor zwei Wochen bin ich mit den Kindern von Freunden beim Martinszug mitgegangen. Das ist ja ein dämmrig-schönes Ereignis, man hört die Kinder singen, singt selbst ein wenig mit und kommt dabei ins Sinnieren. Bei diesem Sinnieren ist mir dieser Bundeskongress in den Sinn gekommen: "Werte leben". Werte werden ja auch bei so einem Martinsumzug gelehrt. Sankt Martin hat ja, so die Legende, sein Pferd angehalten, als er vor ihm einen Armen sah und seinen Soldatenmantel mit dem Schwert geteilt, offenbar halbe-halbe.

Und ich habe mich gefragt: Wie viel Mantel braucht der Mensch? Einen halben, einen ganzen? Genügt womöglich auch ein Topflappen? Ist die Hartz-IV-Politik eine Topflappen-Politik? Schrumpft die Sozialpolitik zur Topflappen-Poiltik? Es gibt viele Menschen, die von einem Zipfel des Mantels, von einem Zipfelchen träumen. Die Flüchtlinge zum Beispiel, die nach Europa kommen. Und was geben wir Ihnen? Geben wir ihnen Solidarität - oder nur Frontex?

Sankt Martins Geschichte, seine Legende, gehört zu den ältesten Legenden Europas. Man muss kein Christ sein, um festzustellen: Zu Europas Leitkultur gehört also die Kultur des Teilens. Der geteilte Martins-Mantel ist der Erinnerungsort und das Symbol für Wohlfahrt und Solidarität schlechthin. Noch symbolischer wäre es aber, wenn man beim Teilen auch noch vom hohen Roß herunterstiege. Spötter nennen das dann Gutmenschentum. Aber mir ist jeder der vom Roß heruntersteigt, mir ist jeder, der ein wenig teilt, viel lieber als der, der nun dumm daher redet.

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