Zur Pathologisierung sozialen Leidens

Psychotherapeutische Deutungen von Arbeitsleid

Sabine Flick

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Sabine Flick, Zur Pathologisierung sozialen Leidens (20.04.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 9783779960775, 2019 #1, p.23

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Description / Abstract

Der Beitrag diskutiert, wie Psychotherapeuten soziales Leiden als Leiden an Arbeit behandeln und behandelbar machen. Entlang der Ergebnisse einer qualitativempirischen Studie wird gezeigt, wie diese Behandlung des sozialen Leidens in eine Normalisierung überfordernder Arbeitsanforderungen und letztendlich in eine Dethematisierung des Sozialen mündet. Es wird argumentiert, wie der Gesellschaftsbezug der subjektiven Krankheitstheorien der Patienten auf Seiten der psychotherapeutischen Behandler eine Um/Deutung erfährt, die das Soziale Leiden in ein Leiden am Selbst wandelt. Dies begründet sich in der Professionslogik, die zur Legitimation des Zuständigkeitsanspruchs der Behandler für die Patientenleiden nötig ist. In professioneller Hinsicht muss daher in diesem Sinne das ‚Soziale‘ ausgeblendet werden, da keine medizinisch-diagnostischen Konzepte zur Verfügung stehen, die explizit auf Arbeit Bezug nehmen. Aus dieser professionellen Um/Deutung folgt eine medizinalisierende und personalisierende Behandlung sozialen Leidens, die in der Folge eine gesellschaftsvergessene und belastende Selbstreferentialität der Individuen verstärkt, anstatt sie von dieser zu entlasten. Zur Entfaltung dieses Arguments wird zunächst die Dimension Arbeit und ihre Bedeutung in psychotherapeutischer Ätiologie und Diagnose diskutiert. Daran anschließend wird die herangezogene Studie vorgestellt und in einem zweiten Schritt ihre Ergebnisse entlang dreier Um/Deutungsstrategien dargelegt. Diese werden schließlich in ihren sozialtheoretischen Konsequenzen ausblickend diskutiert.

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