Erziehung an der Mutterbrust

Eine kritische Kulturgeschichte des Stillens

Sabine Seichter

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Sabine Seichter, Erziehung an der Mutterbrust (2020), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISBN: 9783779954507

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Beschreibung / Abstract

Obwohl der Mensch das Stillen mit allen Säugetieren gemeinsam hat, lässt es sich anthropologisch nicht (nur) als ein rein funktionaler Ernährungsvorgang verstehen. Spätestens seit der Antike ist das Stillen kulturell gedeutet und im Dienste politischer, religiöser, ökonomischer und vor allem pädagogischer Interessen gesehen worden.

Diese kritische Kulturgeschichte macht anschaulich, wie das Stillen von der Antike bis in unsere unmittelbare Gegenwart von religiösen, politischen, ökonomischen und vor allem pädagogischen Interessen überlagert war, wie es im Zuge der Aufklärung von moralpädagogischen Erziehungsdoktrinen besetzt wurde und wie es in der Moderne und Postmoderne des 20. und 21. Jahrhunderts auch von politischen oder von feministischen Ideologien okkupiert worden ist. Immer wieder wurde gerade über die Art und Weise der frühkindlichen Ernährung das Idealbild der Frau und Mutter konstruiert, und der Streit über Brust oder Flasche entzündete sich nicht (nur) an der Alternative von mütterlicher Zuneigung und Liebe bzw. mütterlicher Gleichgültigkeit und Egoismus, sondern fokussiert(e) sich letztlich auf die Frage nach der richtigen Erziehung des Kleinkindes.

Beschreibung

Sabine Seichter, Jg. 1981, Dr. phil. habil., ist ordentliche Universitätsprofessorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Paris-Lodron Universität Salzburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie von Erziehung und Bildung, historisch-kulturwissenschaftliche und personalistische Konzeptionen pädagogischer Anthropologie.

Inhaltsverzeichnis

  • BEGINN
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1. Einleitung
  • Kapitel 2. Das Stillen in der Antike
  • 2.1. Die Frau als Ernährerin des Kindes
  • 2.2. Die Symbolkraft der weiblichen Brust
  • 2.3. Die Etablierung des Ammenwesens
  • 2.4. Vorboten einer „künstlichen“ Ernährung
  • 2.5. Pädagogik und Medizin – eine dauerhafte Liaison
  • Kapitel 3. Das Stillen im Judentum und im Christentum
  • 3.1. Die religiöse Erhöhung des Stillens
  • 3.2. Die stillende Mutter – Inbegriff weiblicher Fürsorge
  • 3.3. Maria als Ikone der stillenden Mutter
  • 3.4. Die Inszenierung der Maria lactans
  • Kapitel 4. Das Stillen im Mittelalter
  • 4.1. Die (biologische) Unterordnung der Frau
  • 4.2. Selbststillen als Sinnbild der Mutterliebe
  • 4.3. Frühe Formen „alternativer“ Ernährung
  • 4.4. Verwahrloste Kinder
  • Kapitel 5. Das Stillen in der Renaissance
  • 5.1. Die Mutter – ein Wesen ohne Geschichte?
  • 5.2. Die Verlagerung in das mütterliche Gewissen
  • 5.3. Die Bestimmung der Frau: Gattin, Hausfrau und Mutter
  • Kapitel 6. Das Stillen in der Aufklärung
  • 6.1. Die mütterliche Brust als Vehikel der Aufklärung
  • 6.2. Die Moral: Eine gute Mutter liebt und stillt
  • 6.3. Der Gesellschaft zum Trotz: Die Stillmüdigkeit der Frauen
  • 6.4. Der unermüdliche Appell zum Selbststillen
  • 6.5. Ammen, künstliche Ernährung und die Kontrolle durch den Staat
  • Kapitel 7. Das Stillen im 19. Jahrhundert
  • 7.1. Brust oder Flasche?
  • 7.2. Die fortschreitende Naturalisierung der Frau
  • 7.3. Das Stillen im Fokus naturwissenschaftlicher Forschung
  • 7.4. Stillen nach Maß
  • 7.5. Künstliche Säuglingsernährung vs. natürliche Muttermilch?
  • Kapitel 8. Das Stillen im 20. Jahrhundert
  • 8.1. Von der Jahrhundertwende bis zum Nationalsozialismus
  • 8.2. Mutterschaft und Stillen im Nationalsozialismus
  • 8.3. Die (Still-)Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD
  • Kapitel 9. Der Stillfeldzug um die Jahrtausendwende oder: Auf dem Weg zu einer gesellschaftlich etablierten Stillkultur
  • 9.1. Über die Werbungshoheit für Muttermilch
  • 9.2. Stillfreundlichkeit als corporate identity
  • 9.3. Die Technisierung des Stillens – eine Paradoxie?
  • 9.4. Das Geschäft mit dem weißen Gold
  • 9.5. „Are you mom enough?“ Stillen zwischen Nähe und Distanz
  • Kapitel 10. Quo vadis Stillen?
  • Literatur

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