Bewegter Stillstand

Die paradoxe Geschichte der Schule nach PISA

Ulrich Heinemann

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Ulrich Heinemann, Bewegter Stillstand (2017), Beltz Verlagsgruppe, 69 469 Weinheim, ISBN: 9783779945772

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Beschreibung

Ulrich Heinemann, Jg. 1950, Dr. phil., war Abteilungsleiter im Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW und ist Lehrbeauftragter an den Universitäten Bochum und Münster.

Beschreibung / Abstract

Anderthalb Jahrzehnte nach PISA 2000 zeichnet sich im Schulwesen eine paradoxe Situation ab. Die Bewegung, die in den Schulen durch eine umfassende Schulreform ausgelöst wurde, bleibt eine Entwicklung im rasanten Leerlauf. Die alte Lernschule und ihr ritualisierter Unterricht behaupten sich in leicht modernisierter Form. Das traditionelle Schulsystem kann dabei auf eine breite Unterstützung zählen, die von Lehrerverbänden über die Eltern bis in die Medien und die öffentliche Meinung reicht.

PISA ist seit 2000 die zentrale Chiffre in der deutschen Schuldiskussion. Der internationale Schulleistungsvergleich der OECD und das enttäuschende Abschneiden des deutschen Schulsystems wirkten wie eine Initialzündung für zahlreiche schulpolitische Maßnahmen und private Initiativen. Sie sollten im Rahmen einer „evidenz–basierten“ Schulreform die deutschen Schulen chancengerechter, leistungsstärker und zukunftsfester machen. Die vorgelegte Bilanz nach 15 Jahren analysiert und bewertet Verlauf und Ergebnisse dieser Entwicklung. Zentrale Modernisierungsdefizite deutscher Schulen, etwa die aus dem 19. Jahrhundert stammende Arbeitsorganisation oder die fest im 20. Jahrhundert verorteten Leistungskriterien einer ethnisch und sozial homogenen Mittelschichtskultur, werden in der Bundesrepublik nicht thematisiert, sondern tabuisiert. Die Schule des 21. Jahrhunderts ist damit nicht zu bauen.

Inhaltsverzeichnis

  • BEGINN
  • Inhalt
  • Einleitung
  • Kapitel I: Reform und System: Vom Nebeneinander öffentlicher Ziele und latenter Zwecke der Schule
  • 1. Messbar leistungsstärker, bildungsgerechter, individueller: Die öffentlichen Ziele der Schulreform
  • 2. Sozialisation, Selektion und Selbstbehauptung: Latente Zwecke des Schulsystems
  • 3. PISA 2000 – 2012: Das Schulsystem zwischen Entwicklung und Stagnation
  • 4. Ritual schlägt Ideal: Zur Anlage des Unterrichts an deutschen Schulen
  • 5. „Auf die Mittelköpfe kalkuliert“: Zu Fokus und Nachhaltigkeit der schulischen Wissensvermittlung
  • 6. ‚Qualitätsfassaden†˜: Vom Zusammenhang anspruchsvoller Lehrpläne und unterkomplexer Lernleistungen
  • 7. Ein „träger Trend“ zum Besseren: Der Umgang der Schulen mit Vielfalt und Verschiedenheit
  • 8. „Deutliche Züge einer Parentokratie“: Der Bildungserfolg und die Effekte der sozialen Herkunft
  • 9. Objektiver – aber längst nicht neutral: Schulische Selektion und Segregation nach PISA
  • 10. Sozialisation für das vergangene Jahrhundert: Die Bildungswirkung des Schulsystems heute
  • 11. Reform oder System: Wer oder was bestimmt die Schule von morgen?
  • Kapitel II: Hermetische Profession: Das kollektive Gedächtnis der Lehrerschaft
  • 1. Beliefs, Habitus und kollektives Gedächtnis: Zugänge zum Verständnis des Lehrerbewusstseins
  • 2. Helden und Prügelknaben: Zu den Selbst- und Fremdbildern der Lehrerschaft
  • 3. Ziemlich beste Feinde: Das Ethos der Lehrer und die Realität der Schüler
  • 4. Phalanx mit Rissen: Gemeinsamkeiten und Differenzen im Bewusstsein verschiedener Lehrergruppen
  • 5. Kampf um die pädagogische Freiheit: Autonomie zentriertes versus wirksamkeitsorientiertes Professionsverständnis
  • 6. Berufsstand ohne Bezugswissenschaft: Zur Rolle der Pädagogik in der universitären Lehrerausbildung
  • 7. Halbe Profis für das Lehren und Lernen: Aus- und Fortbildung als nicht genutzte Chancen
  • 8. Unter dem Feldzeichen Pädagogischer Allzuständigkeit: Die Interessenvertretungen der Lehrerschaft
  • 9. Für Elite gegen Gleichmacherei: Die konservativen Lehrerverbände
  • 10. Für Einheitsschule und Einheitsbezahlung: Die progressiven Lehrerverbände
  • 11. Vorrang für Lehrerinteressen: Das Credo aller Lehrerverbände
  • Kapitel III: „Wie vor hundert Jahren“: Schule als lernschwache Arbeitskultur
  • 1. Archimedischer Hebel der Schulreform: Die neue Steuerung
  • 2. Theoretisch konkurrenzlos – praktisch wirkungsarm: Die Selbstständige Schule
  • 3. Was nicht passt, wird passend gemacht: Schulreform als Reform-Camouflage
  • 4. „Am stärksten vom Burn-out-Syndrom betroffen“: Die Eigenwahrnehmung der Lehrkräfte
  • 5. „Keine auffälligen Unterschiede“: Lehrkräftebelastung im Vergleich
  • 6. Klagen auf hohem Niveau: Lehrkräftebezahlung und schulische Ressourcenausstattung
  • 7. „Organisation ohne nachweisbare Rationalität“: Die Arbeitszeit der Lehrkräfte
  • 8. Halbtags-Unterricht und 45-Minuten-Takt: Bastionen des schulischen Strukturkonservativismus
  • 9. Hoheitliche Aufgabe in pädagogischer Allzuständigkeit: Zur Kritik des Beamtenstatus für Lehrkräfte
  • 10. Funktionale Differenzierung durch Multiprofessionalität: Voraussetzungen zukunftsfähiger Schulreform
  • 11. „Für den Ganztag, gegen den ganzen Tag“: Paradoxien und Anachronismen aktueller Schulentwicklung
  • 12. Arbeitskultur-Arbeitsverhältnisse-Arbeitsraum: Verdrängte Kernprobleme der Schulstrukturdebatte
  • Kapitel IV: Embedded Sciences: Bildungswissenschaften als gespaltene Systembetreuungswissenschaften
  • 1. Normativ begründen – empirisch beschreiben – Wirksamkeit analysieren: Was sind, was wollen und was tun Bildungswissenschaften?
  • 2. Konservieren – Transformieren – Reformieren: Zur Rolle wissenschaftlicher Pädagogik in historischer Perspektive
  • 3. Kräfteverschiebung nach PISA: Zum Verhältnis von geisteswissenschaftlicher Pädagogik und empirischer Bildungsforschung
  • 4. Gegen „politische und ökonomische Übergriffe auf das Bildungssystem“: Die Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V.
  • 5. Pädagogische ‚Maschinenstürmer†˜: Zur Einordnung der erziehungswissenschaftlichen Kritik an der Bildungsreform
  • 6. Elaborierte Methoden – Verengte Perspektiven: Entwicklungstendenzen empirischer Bildungsforschung
  • 7. Hilfreiches Wissen für die Schulreform?: Zu Stand und Einstellung, Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Bildungsforschung
  • 8. ‚Erfolgsgeschichte†˜ Schulentwicklung: Der pädagogisch-publizistische Komplex und seine Zirkelschluss-Rhetorik
  • 9. Keine Äquidistanz: Zum Verhältnis von Bildungswissenschaften, Politik und Schulsystem
  • Kapitel V: Von Scheinriesen und heimlichenGiganten: Die Stakeholder des Schulsystems
  • 1. „Lediglich in Einzelfällen belegbar“: Schulpreise, best practice und die Wirkungen
  • 2. Verbesserungs- oder Verwertungsinteresse? Selbst- und Fremdbilder der Bildungsstiftungen
  • 3. „Stets das bessere Ende für sich“: Programmatik und Performance der Bildungsstiftungen
  • 4. Kaum Passung: Kopplungsprobleme zwischen dem System Schule und dem System Wirtschaft
  • 5. Staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft? Zur Rolle und Bedeutung von kommunalen Schulträgern und regionalen Bildungsnetzen für die Schulentwicklung
  • 6. What works? Stadtteile – Stadt – ländlicher Raum: unterbelichtete Einflussgrößen des Schulerfolgs
  • 7. Gefesselte Riesen: Vision und Wirklichkeit des regional governance
  • 8. Mythos katholisches Arbeitermädchen vom Lande: Bildungsungleichheit als historisches Erbe in Deutschland
  • 9. Mehr Chancen für mein Kind: Zum Verhältnis von elterlichem Bildungsdruck, sozialer Abstiegsangst und schulischem Strukturkonservativismus
  • 10. Heimliche Giganten im Schulsystem: Organisierte Eltern zwischen Widerspruch und Anpassung
  • 11. Only bad news is good news: Die Medien und die Schulreform
  • 12. Akteure der Beschleunigung: Zur Rolle der Stakeholder im Schulsystem
  • Kapitel VI: Getriebene Treiber: Schulpolitik und Schuladministration nach PISA
  • 1. Rückbau statt Ausbau: Tendenzen schulaufsichtlicher Entwicklung nach PISA
  • 2. Kienbaum und die Folgen: Schulaufsichtliche Reformüberlegungen vor PISA
  • 3. Zwischen partnerschaftlicher Kommunikation und hoheitlicher Anweisung: Zum problematischen Verhältnis von Schuladministration und Schule
  • 4. Administrativer Arm mit reduzierter Schlagkraft: Die Schulaufsicht in der Praxis der Schulreform
  • 5. Gefangen im Selbstständigkeitsdispositiv: Schulpolitik in den Verhältnissen – machtlos
  • 6. ‚Gute Schule†˜ auf dem Papier: Schulpolitik als Symbolpolitik – erfolgreich
  • 7. Neue (alte) Unübersichtlichkeit: Die Schulstrukturdiskussion und ihre Entwicklung in Deutschland
  • 8. „Zweigliedrigkeit“: Keine Garantie für mehr Chancen und bessere Bildung
  • 9. „G8/G9“: Von der Fragilität reformpolitischer Geländegewinne
  • 10. Die üblichen Verdächtigen? Zur Versachlichung der Diskussion über den Bildungsföderalismus
  • 11. Bund und Land Hand in Hand – chancenlos: Der Bildungsföderalismus und seine (selbstgesetzten) Grenzen
  • Kapitel VII: Exkurs: „Große Erzählung“ und„Geteilte Wirklichkeit“: Schulische Inklusion zwischen Theorie und Praxis
  • 1. Das suggestive Ideal: Inklusion als Menschenrecht auf Chancengleichheit
  • 2. Euphorie und Ernüchterung: Die Unterstützerszene formiert sich
  • 3. Heterogenität in der Förderung von Vielfalt: Die Inklusionspolitik der Bundesländer
  • 4. Wider die Abschaffung der Sonderschulen: Die förderpädagogische „Zunft“ in der Inklusionsdebatte
  • 5. Inklusive Schulen in Praxis und Theorie: Zum Widerspruch zwischen berufsständischen und pädagogischen Ansprüchen
  • 6. Vom Traum zum Trauma: Der Fall der Inklusion in Schule und Lehrerschaft, Öffentlichkeit und Elternschaft
  • 7. „Geteilte Wirklichkeit“: Desegregation mit sozialer Schieflage
  • Zusammenfassung
  • Anmerkungen
  • Benutzte Literatur (Auswahl)

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