Das Soziale Organismusmodell - Ein Beitrag zur Entwicklung einer eigenständigen Metatheorie für Soziale Arbeit

Friederike Löbl

Diese Publikation zitieren

Friederike Löbl, Das Soziale Organismusmodell - Ein Beitrag zur Entwicklung einer eigenständigen Metatheorie für Soziale Arbeit (20.04.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0342-2275, 2011 #4, S.285

5
Accesses

Beschreibung / Abstract

Die Diskussion um Soziale Arbeit als eigenständige Wissenschaft oder Leitwissenschaft versus Soziale Arbeit als integrative Wissenschaft von diversen Bezugswissenschaften hat im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Ausprägungen erfahren. Die PionierInnen bereiteten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit einer grundlegenden wissenschaftlichen Basis den Boden. Ilse Arlt, Mary Richmond, Alice Salomon schöpften primär aus ihrer praktischen Arbeit theoretische Überlegungen und formten erste Konzepte. Hier setzte sich vor allem Casework durch, das in einer gewissen Verbundenheit mit der Psychoanalyse stand. Wie der einschlägigen Literatur zu entnehmen ist, gibt es heute nicht e i n e Sozialarbeitswissenschaft, sondern eine Reihe unterschiedlicher Sozialarbeitswissenschaften. Jede dieser Wissenschaften baut auf eine andere Metatheorie. Zum Beispiel ging man in den 70er Jahren von einer ideologischen Fundierung aus, die Wendt (1995) in seinen Arbeiten als gescheitert ansieht. Staub-Bernasconi bezieht sich auf Systemische Theorien, Kleve baut auf den postmodernen Konstruktivismus auf. In der Diskussion pro und contra zu einer eigenständigen Sozialarbeitswissenschaft spricht sich Maier zum Beispiel in seinem Artikel "Das ewige Leid mit der Leitwissenschaft", 2009 für eine integrative Sozialarbeitswissenschaft aus, sieht diese jedoch durch die Entwicklung einer eigenen Fachdisziplin eher gefährdet. Durch die Akademisierung im europäischen Raum und die damit verbundene Notwendigkeit, zu forschen und Theoriekonzepte wissenschaftlich zu belegen, werden erprobte Konzepte aus diversen Bezugswissenschaften herangezogen und dienen als Anker für Wissenschaftlichkeit. So lässt sich in Deutschland ein Trend in der Wissenschaftsentwicklung Soziale Arbeit in Richtung pädagogisch fundierter Wissenschaftszugänge feststellen, nachdem dort Absolvent_innen von Pädagogischen Universitätsinstituten vermehrt als Lehrende an Fachhochschulen für Soziale Arbeit tätig wurden. So wird nicht nur in der Profession die Leitung sozialer Institutionen von Nichtsozialarbeiter_innen (wie Jurist_innen, Psycholog_innen, Soziolog_innen, Ärzt_innen u. ä.) übernommen, sondern auch in der Disziplin übernehmen Fachleute der Bezugswissenschaften die Leitung von Ausbildungseinrichtungen für Sozialarbeit. In Österreich wurde vor 10 Jahren die Ausbildung zur Sozialarbeiter_in neu errichteten Fachhochschulen übertragen. Die Entwicklung hier gleicht eher einer "Diaspora". Jede Fachhochschule geht nach einem anderen Schwerpunkt und einem anderen Curriculum vor. Mangels einschlägiger Promotionsmöglichkeiten in Sozialarbeit ist der Umweg über Lehrstühle der "Bezugswissenschaften" oder Universitäten im Ausland nötig. Auch das erschwert die Entwicklung einer eigenständigen Sozialarbeitswissenschaft. Als problematisch in der Entwicklung einer Sozialarbeitswissenschaft sind vor allem zwei Trends zu sehen. Der eine ist der Mangel einer grundlegenden Metatheorie für eine Sozialarbeitswissenschaft und der andere die Zersplitterung in viele Teilbereiche entsprechend den unterschiedlichen Bezugswissenschaften. Das Kernthema, das "Soziale Wesen des Menschen und der Gesellschaft", also das "Sozial Sein" und "Sozial Handeln" wird bei beiden Trends nicht mit dem erforderlichen Tiefgang einer wissenschaftlichen Überprüfung zugeführt. Und bevor noch eine grundlegende Wissenschaft Soziale Arbeit gewachsen ist, entwickeln sich verschiedene Fachwissenschaften mit unterschiedlichen sozialarbeiterischen Schwerpunkten, wie Klinische Sozialarbeit, Sozialraumorientierte Sozialarbeit, Sozialmanagement, Sozialwirtschaft. Einen dritten problematischen Trend stellt die Vergrößerung der Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis dar. Um diesen Trends entgegen zu wirken, ist die Entwicklung einer grundlegenden ganzheitlich integrativen Sozialarbeitswissenschaft wünschenswert, sowohl als eigene Disziplin als auch als Planungs- Entscheidungs- und Reflexionsinstrument für die Praxis. Sie könnte die Professionalisierung ebenso wie die Identitätsentwicklung der Sozialarbeiter_innen fördern.

Mehr von dieser Ausgabe

    Ähnliche Titel

      Mehr von diesem Autor