Soziale Dienstleistungen im Visier des Vergaberechts - Chance oder Verhängnis?

Ute Jasper und Barbara von der Recke

Diese Publikation zitieren

Ute Jasper, Barbara von der Recke, Soziale Dienstleistungen im Visier des Vergaberechts - Chance oder Verhängnis? (29.03.2024), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 0342-2275, 2009 #6, S.454

9
Accesses

Beschreibung / Abstract

Soziale Dienstleistungen werden in letzter Zeit verstärkt in einen wirtschaftlichen Kontext gestellt. Forderungen nach Kosteneffizienz werden lauter. Hierbei dürfen jedoch die Besonderheiten sozialer und arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen und die daran gestellten hohen Qualitätsanforderungen nicht außer Betracht gelassen werden. Die Frage, wie Wirtschaftlichkeit, Effektivität und Qualität in diesem Bereich miteinander kombiniert werden können, war lange Zeit heftig umstritten. Im Fokus stand dabei die Frage: Müssen die Leistungen europaweit ausgeschrieben werden? Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof inzwischen beantwortet. -- Eine Reihe von Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand im Bereich der Arbeitsmarktförderung, der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe haben in den letzten Jahren zu wiederholten juristischen Auseinandersetzungen über die Kompatibilität von Sozialrecht und Vergaberecht bei der Beschaffung sozialer Dienstleistungen geführt. Besonders aktiv war die Bundesagentur in Ausschreibungsverfahren von Leistungen nach dem SGB III und SGB II. Zwar rückten soziale Dienstleistungen schon seit Längerem immer mehr in den Fokus der europäischen Binnenmarkt- und Wettbewerbsregelungen. Auf Bundes- und Landesebene scheuten sich aber in der Regel alle Seiten, eine klare Lösung pro oder contra Vergaberecht zu finden. In der Praxis wurden die Leistungen der öffentlichen Träger daher nach wie vor regelmäßig direkt und ohne Umwege an freie, private oder kirchliche Träger übertragen. Es gilt hier mehr als in anderen Leistungsbereichen immer noch der Grundsatz "bekannt und bewährt" statt "transparent und diskriminierungsfrei". -- Der EuGH hat in diesem Streit jetzt einen ersten Meilenstein gesetzt. Mit Urteil vom 19.06. 2009 (Rs.C-300/07 "Oymanns") hat er gleich zwei Grundentscheidungen "pro Vergaberecht" getroffen: 1. gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber und unterliegen dem Anwendungsbereich des Vergaberechts, 2. Verträge, die Krankenkassen mit Leistungserbringern schließen, können als öffentliche Aufträge eingestuft werden. -- Dieser Artikel befasst sich im Folgenden mit der zweiten Grundentscheidung. Denn der hiermit aufgezeigte Meilenstein ebnet zwar den Weg für das Vergaberecht im Bereich der Beschaffung krankenkassenärztlicher Leistungen. Er lässt aber noch viele Fragen offen. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, inwieweit die Grundentscheidung des EuGH auf die Beschaffung sämtlicher sozialer Dienstleistungen übertragen werden muss. --

Mehr von dieser Ausgabe

    Ähnliche Titel

      Mehr von diesem Autor